Weine und Weintipps
Passionierte Beizengängerinnen und Beizengänger schätzen ein gutes Glas Wein zum Essen. Das geht auch uns allen im Team des Beizenführer so. Wir haben uns deshalb auf die Suche nach einem Weinkenner gemacht, der unseren Leserinnen und Lesern noch mehr Hintergrundinformationen über die faszinierende Welt der Weine geben könnte. Freude herrscht: Mit Philipp Schwander, dem ersten Schweizer Master of Wine – einer exklusiven Auszeichnung nach einem umfassenden Weinstudium – und Inhaber der «Selection Schwander», einer ausserordentlich erfolgreichen Weinhandlung, ist ein «Weinwisser» der Extraklasse zu uns gestossen. Quasi als «Einstand» präsentiert er Ihnen heute seine Tipps zum Lesen einer Weinkarte und wie sich gute von schlechten Weinmenüs unterscheiden.
Wie beurteilt man eine eine Weinkarte?
Eine Weinkarte zu beurteilen ist nicht ganz einfach, noch dazu ist es oftmals eine subjektive Angelegenheit. Liebhaber von Bordelaiser Gewächsen dürften sich beispielsweise weniger an einem mageren Burgunder-Angebot stören, dafür aber umso begeisterter von einer umfangreichen Bordeauxauswahl sein.
Ich persönlich beurteile eine Weinkarte nach folgenden Kriterien:
- Angebotene Weine – Selektion
- Offene Weine
- Preisniveau
- Darstellung – Übersichtlichkeit – saubere Ausführung
Angebotene Weine
Das Angebot sollte selbstverständlich mit dem Auftritt des Restaurants korrespondieren. Von einem einfachen Bistro erwarte ich eine kleine, preislich vernünftige Weinauswahl, bei einem mondänen Sterne-Restaurant darf man zu Recht auf eine reichhaltigere Karte mit einem internationalen Angebot hoffen. In einem italienischen Restaurant rechne ich nicht mit einem Bordeaux-Sortiment, sehr wohl jedoch mit einer angemessenen Selektion italienischer Weine. Auch die Örtlichkeit spielt eine Rolle: In der Bündner Herrschaft oder im Lavaux ist eine schöne Auswahl an regionalen Gewächsen ein Must, in einer weltoffenen Stadt wie Zürich möchte ich sicherlich von einem vielfältigen Angebot aus aller Welt profitieren können.
Eine zunehmend verbreitete Unsitte in manchen europäischen Metropolen ist die dogmatische Ausrichtung auf sogenannte «Naturweine». Diese Bezeichnung ist nicht geschützt und wird für Erzeugnisse verwendet, die besonders umweltschonend und natürlich erzeugt sein sollen. Sehr oft sind diese Weine allerdings fehlerhaft und schmecken hauptsächlich esoterischen (oder naiven) Szenegängern. Es sei jedem Restaurantbetreiber freigestellt, solche angeblich «natürlichen» Weine anzubieten, findet man jedoch ausschliesslich derartige «Preziosen» auf der Karte, ist das nicht nur unklug, sondern auch ein Affront gegenüber den normalen Konsumenten.
Handschrift der Selektion
Es gibt zahlreiche, recht gute Weinkarten, doch was unterscheidet sie von den exzellenten? Ein Kenner erfasst sofort, ob der Weinverantwortliche seine Tätigkeit mit Passion und Herzblut ausübt, oder ob er einfach die gängigen Marken (von Aigle les Murailles über Dom Pérignon bis Sassicaia) auf die Karte gepackt hat. Eine wirklich überzeugende Selektion enthält auch weniger bekannte Trouvaillen abseits der ausgetretenen Pfade, idealerweise von (noch) unbekannten Winzern, die sich in Insider-Kreisen aber bereits einen Namen gemacht haben. Nichts gegen Villa Antinori und Mouton-Rothschild: Wer lediglich solche Gewächse auf seiner Karte führt, beweist zwar viel guten Willen, jedoch nicht unbedingt grosse Kennerschaft.
Offene Weine
Ein gepflegtes Weinangebot enthält stets auch eine Selektion von offenen Weinen. Auch hier empfiehlt sich eine ausgewogene Auswahl verschiedener Weintypen. Es mag zwar beeindrucken, wenn sich der Sommelier als versierter Kenner deutscher Rieslinge beweist, sind neben diesen aber fast keine Weissweine vertreten, ist das für manche Kunden durchaus frustrierend.
Entscheidend beim Offenausschank ist auch, dass sämtliche Weine in einwandfreiem Zustand serviert werden. Leicht oxidierte Gewächse, die zu lange offengestanden haben, dürfen auf keinen Fall ausgeschenkt werden. Um solche Weine zu erkennen, bedarf es einer entsprechenden Schulung des Personals.
Preisniveau
Je anspruchsvoller die Küche, desto grösser darf der Aufschlag pro Flasche sein. Eine einfache Gaststätte mit schlichter Küche sollte im eigenen Interesse eine moderatere Preispolitik pflegen als ein Lokal, das eine ganze Küchenbrigade beschäftigt und aufwendige Gerichte auf den Teller zaubert. Ein Wirtshaus im Thurgau dürfte zudem über eine völlig andere Kostenstruktur verfügen als ein Restaurant am Zürcher Paradeplatz.
Eine anhaltend weitverbreitete Unart ist die Berechnung der Weinpreise mittels einem Faktor, zum Beispiel mal 3 oder mal 4. Diese Kalkulationsmethode ist nicht nur veraltet, sondern auch kontraproduktiv, führt sie doch dazu, dass die preiswerten Weine tendenziell zu günstig, die kostspieligen dagegen viel zu teuer sind und deshalb kaum Abnehmer finden. Gerade bei den teuren Weinen muss der Gastronom davon ausgehen, dass sie von Kennern bestellt werden, die sehr wohl über die Ladenverkaufspreise orientiert sind. Bei einem zu saftigen Aufschlag wird der Gast sich hüten, diesen Wein zu bestellen, sondern ihn lieber zu Hause trinken. Vernünftig wäre, einen fixen Aufschlag pro Flasche zu errechnen, der einen rentablen Betrieb ermöglicht. Bei vielen Restaurants bewegt sich dieser Aufpreis zwischen 20 bis maximal 60 Franken. Wer zu hohe Aufschläge vornimmt, riskiert, dass die Gäste ihren Weinkonsum möglichst tief halten und verdient letztlich weniger als bei einer sinnvoll abgestimmten Kalkulation.
Darstellung – Übersichtlichkeit – saubere Ausführung
Gastgeber gepflegter Lokale, die auf eine physische Weinkarte verzichten und den Kunden zumuten, diese auf das Mobiltelefon herunterzuladen, sind nicht innovativ, sondern schlicht und ergreifend unverschämt. Auch das Weinangebot auf einem Bildschirm lesen zu müssen, ist weder originell noch kundenfreundlich.
Eine Weinkarte sollte übersichtlich und leicht lesbar sein, geordnet nach Anbauregionen, Traubensorten oder anderen hilfreichen Kriterien. Eine regelmässige Erneuerung ist Pflicht; zerlesene Exemplare oder solche, bei denen etwa Jahrgänge von Hand korrigiert oder gestrichen wurden, machen einen miserablen Eindruck. Sehr oft korreliert eine ungepflegte Weinkarte mit einer entsprechenden Küche.
Überdies sind manche ausländischen Weine ein wahres Minenfeld für fehlerhafte Bezeichnungen. Ist der Patron in dieser Disziplin nicht sattelfest, sollte er seine Weinhändler auffordern, die Karte zu korrigieren. Ein Fauxpas sind auch den Anbauregionen falsch zugeordnete Weine. Wenn der Pouilly-Fuissé beispielsweise in der Loire landet, weil der Gastgeber diesen Wein mit einem Pouilly-Fumé verwechselt hat, ist dies eine doch sehr offensichtliche und unglückliche Demonstration mangelnder Sachkenntnis.
Philipp Schwander
Master of Wine